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erschienen am:
10 Seite, 4c, DIN A5, Leporello
August 2018
Das goldene Zeitalter der Romanhefte und Leihbücher in den 50er- und 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat nur wenige wirkliche Stars hervorgebracht: Erinnert sei an Karl-Herbert Scheer, Walter Ernsting und Kurt Brand bei den deutschen Science-Fiction-Autoren. Auch die Titelbildgestalter hatten mit Jonny Bruck oder Rudolf Sieber-Lonati zwei herausragende Vertreter der malenden Zunft.
Andere Schöpfer exotischer Bildwelten sind inzwischen in der Geschichte verschwunden: Zu ihnen gehört Karl Stephan (1923 – 1980), der über Jahre für die Verlage Moewig, Heyne und Pabel arbeitete und mit seinen Covern für verschiedene Heftreihen das Bild der SF (Sience Fiction) am bundesdeutschen Kiosk mitprägte. Dennoch ist er fast vergessen.
In den 60er-Jahren wächst Karl Stephan zu einem der meist beschäftigten Titelbildgestalter für SF bei Moewig heran, Moewigs „Perry Rhodan“ und Pabels „Utopia“ ausgenommen, letztere Reihe verliert er 1961 an R. S. Lonati. Dafür arbeitet er unverdrossen für die „Terra“-Serie weiter und profitiert vom „Weltraum-Wettrennen“ der 60er-Jahre. Die USA und die Sowjetunion wetteifern um den schnellsten Weg ins Weltall und entfachen bei den Menschen rund um den Globus eine breite Begeisterung für Raketen und Astronauten. Die Amerikaner wollen schließlich bis Ende des Jahrzehnts auf dem Mond sein. Sie sehen sich als Speerspitze des technologischen Fortschritts.
Dementsprechend sehen die SF-Titelbilder Stephans und seiner Kollegen auch bei weitem nicht mehr so hausbacken aus wie noch zehn Jahre zuvor. Die Raumschiffe sind nicht mehr pummelige Raketen mit grossen Flossen, sondern schlanke Geschosse, immer noch silbrig glänzend, aber auf einem feurig-roten Heckstrahl reitend wie ihre den Interkontinental-Atomraketen entlehnten Vorbilder im richtigen Leben. Die Raumanzüge der Weltraumhelden auf den Heft-Titelseiten sehen auch nicht mehr aus wie klobige Taucherausrüstungen aus dem Zeitalter Jules Vernes, sondern folgen dem schlanken Design der Kombinationen der „Mercur“- und „Gemini“-Astronauten. Die Sauerstoffflaschen auf dem Rücken werden sogar durch den durchaus klobigen und behäbig wirkenden, aber zweckmäßigen Versorgungsrucksack der späteren Mondflieger ersetzt.
Karl Stephan macht diese Entwicklungen allesamt souverän mit. Er verdient mit 400 bis 500 Mark pro Bild gut in diesen Jahren und wagt sogar Bildexperimente mit Collagen. Schon immer an Vorlagen orientiert, kommt ihm auch die in den 60er-Jahren wieder schicke Montagetechnik sehr zugute. Sie hilft ihm vor allem, sein Defizit bei der Menschengestaltung auszugleichen. Seine Titelbildgestalten sehen plötzlich aus wie fotografiert oder werden durch Bearbeitung bekannten Filmstars frappierend ähnlich. So könnten beispielsweise für den „Terra Extra“-Doppelband Nr. 179/180 „Die Großen in der Tiefe“ von K. H. Scheer die Schauspieler Ernest Borgnine, Klaus Kinski und William Holden Modell für die Figuren gestanden haben, die mit entsetzten Gesichtern dem Bunker oder der Gruft entsteigen.
Bei seinen Auftraggebern gilt Karl Stephan in jener Zeit weiterhin als zuverlässiger Lieferant qualitativ durchaus hochwertiger Titelbilder. Er begleitet die „Terra“-Reihe bis zu ihrer Einstellung Ende der 60er-Jahre, gestaltet auch viele Titelbilder der „Terra-Sonderbände“, der „Terra-Taschenbücher“ und der „Terra Extra“-Reihe mit „SF-Bestsellern in Neuauflage“. Anschließend ist er offenbar beinahe allein für die gut 190 Nummern der modernen „Terra Nova“-Reihe veranwortlich, die Moewig 1968 startet und die 1971 ausläuft.
Das Jahr 1971 wird dann zu einer Art Schicksalsjahr für Karl Stephan. Denn Rolf Heyne verkauft seinen Heftroman-Verlag Moewig mitsamt „Perry Rhodan“ an den langjährigen Konkurrenten Pabel in Rastatt, und Erich Pabel kann seine so aufgewertete Firma gewinnbringend an den Hamburger Heinrich-Bauer-Konzern verscherbeln. Für freie Mitarbeiter heißt das aber auch, sich an neue Gesichter und Ansprechpartner gewöhnen zu müssen. Karl Stephan hat keine besondere Lust, den möglichen neuen Autraggebern hinterherzulaufen oder über die Qualität seiner Bilder zu diskutieren.
Die wird tatsächlich in Frage gestellt: Denn für die 1971 neu gestartete Reihe „Terra Astra“ wird der britische Titelbildkünstler Eddie Jones eingekauft. Seine Bilder wirken vor dem Hintergrund des neuen Jahrzehnts zunächst frischer und moderner. Sein Stil nutzt sich mit der Zeit allerdings auch ab. Zwar sind sein Raumschiff- und Technikdesign durchaus interessant, aber auch seine Menschen werden schnell langweilig und austauschbar.
Karl Stephan trauert den verlorenen Aufträgen offenbar nicht lange hinterher. Sein Pabel-/Moewig-Chefredakteur Kurt Bernhardt sagt dazu: „Stephan war nicht der Typ, der lange nachhakte, wenn er merkte, dass man nicht ungeheuer an ihm interessiert war. So ging die Verbindung doch ziemlich rasch zu Ende. Aber er war ohne Zweifel einer der angenehmsten Menschen, die ich je getroffen habe.“
So ganz ohne schlechtes Gewissen scheinen sich die alten Auftraggeber dann doch nicht von Stephan getrennt zu haben. Als auf der Leserseite des „Terra Astra“-Heftes Nr. 12 ein Wolfgang Kuhn aus Darmstadt als langjähriger Leser der Moewig SF fordert, „auch einmal Herrn Karl Stephan zu danken, der viele Jahre für Terra gezeichnet hat und dessen Bilder mir fast immer gut gefallen haben“, schreibt Redakteur Günter M. Schelwokat fast etwas verschämt: „Wir schließen uns diesem Dank an. Die Red.“ Zu mehr reicht es offenbar nicht.
Der Münchner Titelbildzeichner, der nach wie vor seiner Flugleidenschaft frönt und dafür mehr als die Hälfte des Tages als Fluglehrer auf den Flugplätzen rund um München verbringt, bleibt der SF dennoch treu. Bei Heyne kann er noch einige Zeit die Titelbilder der „Science Fiction Classics“ gestalten, die in der mittlerweile renommierten Heyne-SF-Taschenbuchreihe erscheinen. Die Bände der „Lensmen“-Serie von E. E. Smith, die mehrere Neuauflagen erleben, und die im Verlauf der 70er bei Heyne wieder veröffentlichten Romane von Hans Dominik werden von Karl Stephan kongenial illustriert; zu diesen Büchern passt sein Stil in jedem Fall, auch wenn die moderne Zeit sonst nichts von seinen Zukunftsvisionen wissen will. Titelbilder für Hefte oder Taschenbücher können von den Verlagen schon längst günstig in Südeuropa oder in den USA eingekauft werden. Vor allem Amerika ist das Land mit der längsten Tradition im Bereich der Produktion von Bildern für Unterhaltungs- beziehungsweise Trivialliteratur.
Daneben widmet Karl Stephan sich im weiteren Verlauf der 70er-Jahre wieder ab und zu der Werbegrafik sowie der freien Malerei in Öl und Aquarell. Seine Bilder, unter denen sich wohl auch romantische Ansichten aus dem oberbayerischen Voralpenland befinden, scheinen sich auch gut zu verkaufen.
Alles scheint gut. Dennoch stirbt Karl Stephan am 21. Dezember 1980, seinem 57. Geburtstag, in München und ist seitdem in der Geschichte verschwunden. /1/
Quellenangabe:
/1/ Friedrich Gerlach: www.zauberspiegel-online.de/index.php/durchblick-hintergrnde-mainmenu-15/pinsel-aamp-bildschirm-mainmenu-297/6846-verschwunden-in-der-geschichte-karl-stephan-titelbildzeichner-teil-3 (abgerufen am 15.07.2018)